* 18. August 1957
von Christian Utz
Essay
Tan Dun, der seit 1986 in New York lebt, entstammt einer Generation von chinesischen Künstlern, die zunächst in ihrer Entfaltung mehrfach behindert wurde, doch nach der Kulturrevolution vom kulturellen Aufbruch und einer neuen Offenheit Chinas profitierte. Während andere zwischen 1952 und 1961 geborene Komponisten wie Guo Wenjing, Qu Xiaosong, Chen Qigang, Xu Shuya, Chen Xiaoyong oder Zhou Long sich ihre komplexen und oft ambivalenten biografischen Erfahrungen in individuell höchst unterschiedlicher Weise stilistisch anverwandelten und sublimierten, begann Tan Dun – insbesondere in seiner New Yorker Zeit – die Multiziplität seines musikalischen Horizonts in kompositorische Entwürfe zu fassen, die sich in erster Linie durch stilistische Heterogenität und gezielt eingesetzte Mehrdeutigkeit auszeichnen. Mag diese Konzeption seit Mitte der 1990er-Jahre von kommerziellen Interessen mitbestimmt und dadurch in mancher Hinsicht unglaubwürdig geworden sein, so sind doch in vielen seiner Werke zukunftsweisende Manifestationen einer selbstbewussten „Gegenkultur“ zu sehen, die musikalische Konzepte westlicher und chinesischer bzw. asiatischer Provenienz und ihren Anspruch auf Allgemeingültigkeit eloquent in Frage zu stellen verstehen.
Tan Duns Musik kann nicht losgelöst von den frühen musikalischen Erfahrungen des Komponisten in China während und nach der Kulturrevolution gesehen werden. Tans Umgebung war bis zu seinem 19. Lebensjahr ...